Schritte

Ewig dieses Hoch und Runter. Einmal Tapselschritte, einmal gerannte Schritte, einmal stampfende und dann wieder schleichende. Neue Nachbarn sind eingezogen, das ganze Haus freut sich und möchte dies mit Schritten zum Ausdruck bringen. Wenn dann nicht immer diese Keule mitschwingen würde. Die Keule, die mich daran erinnert, dass es dort sowas wie Gemeinschaft gibt. Gemeinschaft schön und gut, aber ich habe nicht teil. Ich stehe außerhalb des Kreises und lausche die typischen Familiengeräusche. Schritte, Rufe, Gesang, Gepolter. Ich schenke den Nachbarn kein Wasser und Brot zum Einzug, nein, ich schenke einen Schrittzähler. Damit können sie Rekorde aufstellen.

“Mutter pflegte uns Kindern zu sagen,

wir sollten nicht mit den Augen rollen, da es passieren könne, dass sie plötzlich und für immer in einem besonders verdrehten Zustand stehenblieben. Daraufhin drehten wir, von der Vorstellung außerordentlich angetan, minutenlang, bis uns übel wurde und wir das Augenrollspiel nicht mehr so bald spielten. Ich rolle heute noch mit den Augen, wenn ich daran denke.”

[Herr Benjamin]

Zwei Margarinen am Tag

Es sind die kleinen Geschichten, die einem im Gedächtnis bleiben. Die Geschichten, die zwischen Tür und Angel geschehen, die nicht angekündigt werden oder die so vergeblich abscheulich sind wie das Warten auf jemanden, der nicht auf sich warten lassen will. Geschichten erzählen vom Leben. Manchmal auch von zwei Margarinen am Tag, die von der großen, sich im Haus eingenisteten Hochzeitsgesellschaft verzehrt werden. Und manchmal von zwei Menschen, die sich langsam voneinander entfernen, weil jeder seinen Weg gehen will. Manchmal von glücklichen Eltern, die ihre Kinder bei einem erfolgreichen Coup beobachten. Manchmal von Leuten, die ihren Weg suchen und sich dabei selbst verlieren. Manchmal von Playlists, die immer dieselben Lieder spielen. Manchmal von guten Menschen, manchmal von weniger guten. Du bestimmst, ob du diese Geschichten in den Papierkorb legst. Oder sie in mit Schmucksteinchen verzierte Rahmen hängst.

Ich bin mir meine größte Krise.

Oft kommt man an den Punkt, an dem man sich fragt, was das Leben für einen selbst bedeutet. Und was es ist, das es so lebenswert macht. Mein Leben lang hatte ich Angst vor dem Versagen. Angst davor, Menschen zu enttäuschen, sie zu verletzen, verletzt zu werden. Ich habe versucht, mich zu schützen vor Gefühlen, vor Gefühlsausbrüchen, davor, Dinge näher an mich heranzulassen, als mir lieb war. Ich habe mich auf andere konzentriert, immer in der Hoffnung, dass mir einfach nichts anhaben kann. Ich habe jeden Schmerz, einfach alles ausgeblendet, das Gute wie das Schlechte. Bis nichts mehr da war.

Heute weiß ich, dass es mehr als das ist. Es ist in Ordnung, im Jetzt zu leben, ohne Angst vor Verluste oder Enttäuschungen. Und das beste dabei ist, dass es morgen wieder ein Jetzt gibt, ein neuer Versuch, sich treu zu bleiben. Ein neuer Versuch, das Glas zu füllen.

Sehnsucht

Nach Picknick auf der Decke mit Tomaten in der Box. Nach Bahnfahren und dabei lesen. Nach mehr Fahrradfahren. Nach Schlendern durch Gassen, die so alt sind wie mein Großvater. Nach Erdbeerkuchen auf Sommerkind-Geburtstagen. Nach dem kleinen Näs’chen meiner Nichte und ihren Händen, die ab und zu in ihrem Mund verschwinden. Ganz. Nach einem ruhigen Plätzchen im Stadtgarten. Nach Gesprächen über Welt und ob alles im Lot ist. Nach ausgedachten Geschichten, die einmal ausgesprochen so passieren müssen. Nach musikangereicherten Abenden mit Freunden. Nach Lachkrämpfen über absurde Tollpatschigkeiten. Nach einer neuen Handtasche. Nach barfuss durch die Stadt laufen und sich ein bisschen dafür schämen. Nach den Abenden früher in meinem alten Zimmer, den wirschen französischen Filmen, den tausend Karteikärtchen, den vielen geheimen Verstecken, den guten und weniger guten Briefen. Nach den besonderen Musikempfehlungen. Und danach, neue Beiträge zu erstellen, weil es so gut tut, es aufgeschrieben zu haben. Und erst jetzt merke ich es.

Aufräumen

Ich frage mich, was es ist, wonach ich mich sehne.—

Vielleicht einfach nur nach dem Gefühl, etwas geschafft zu haben, was man sich lange vorgenommen hat. Verstanden zu werden. Nach heutigem erfolgreichen Aufräumen ist meine Sehnsucht mäßig gestillt. Altes wurde hervorgekramt, sortiert, gut verstaut, wie auch die Gedankenfetzen, die zu ihnen gehören. Hinzu kommt das Fasten, welchem ich mich gekonnt widme. Es ist leichter, als ich gedacht habe. Einfach mehr passiv sein als aktiv. Je mehr ich mich unabhängig mache von Dingen, die mich umgeben, desto befreiter fühle ich mich. Lange vor mir erkannte Erkenntnis, doch ich komme am 23.1.15 drauf.

Unten weint ein Kind. Das Leben geht weiter. Der Film auch. Jetzt weint es schon nicht mehr. Ich frage mich, was es ist, wonach ich mich sehne.—

Vielleicht nach Aufräumen.

Es sind Freunde …

die einem bei jedem Treffen daran erinnern, was einem selbst gut tut. Sei es die Listenerstellung von Dingen, die gut tun, sei es die stete Selbstreflexion von Dingen, die einen bekümmern, sei es das einfache Beisammensitzen, um mal einen freien Kopf zu bekommen, sei es das Genießen von Dingen, die man schon lange nicht mehr gemacht hat, sei es die pure Freude spüren, dass man mitten im Leben steht. Auch wenn es ausgelutscht und kartenspruchreif klingt, aber… schön, dass es Euch gibt !!

Hab ich dir gefehlt?

… , fragte sie und schaute verschmitzt um die Ecke.

… , fragte er und zitterte leicht in der Stimme.

… , fragte sie so vorsichtig, als ob sie ebenso eine Jahrhunderte alte Vase in den Händen trüge.

… , fragte er und guckte abwesend an ihr vorbei, auf die befahrene Straße.

… , fragte sie und wollte eigentlich sagen, dass er ihr gefehlt hatte.